Trudi und der Herr Pfarrer

Eigentlich hatte Trudi die Nase voll von diesen Single-Plattformen. Sie wollte nicht mehr suchen und schon gar nicht im Internet.
"Morgen lösche ich hier mein Profil bei "Finde die Liebe", " dachte sie sich. "Heute schau ich nur noch mal ein bisschen und dann ist Schluss. Hier wird doch nur gelogen und getäuscht bis sich die Balken biegen."
Sie schaute sich ein paar Profile an, klickte aber nicht sonderlich interessiert von einem zum nächsten.
Zwischendurch ging sie in die Küche, räumte hier ein bisschen und dort ein bisschen, holte sich ein Glas Wein und setzte sich wieder ohne großartige Erwartungen vor ihren Rechner.
Plötzlich machte es Plink. Das war immer so, wenn eine neue Nachricht eintraf.
Trudi klickte auf den Posteingang: Hallo, ich bin der Gregor und wer bist Du? Die Nachricht war ebenso spannend wie:Hallo, wie gehts? oder diverse smilies ohne worte.
Ich hau hier ab, dachte sie bei sich und ging auf den Link mit dem man sein Profil löschen konnte.

Doch plötzlich ertönte ein letztes lautes PLINK, so dass sie zusammen zuckte. Na gut, ein allerletzter Blick auf den Posteingang: Hallo schöne Unbekannte, als ich beim Herumklicken auf Dein Profil stieß, dachte ich, was für eine hübsche Frau.Warum bist Du hier? Liebe Grüße Markus.

Trudi antwortete, zwar etwas lustlos, aber sie war ja ein höflicher Mensch.Sie schrieb: Eigentlich bin ich schon gar nicht mehr hier. Ich wollte mich gerade verabschieden von der virtuellen Partnersuche.
So gingen dann aber doch einige Nachrichten hin und her, die äußerst nett waren und beide stellten fest, dass sie sich viel mitzuteilen hatten, und nachdemTrudi sich natürlich sein Profil angesehen hatte, was ihr ausgesprochen gut gefiel, beschlossen die beiden, dann doch mal zu telefonieren.

Seine Stimme klang sehr nett, wenn auch etwas nervös, aber gerade das machte ihn in ihren Augen noch symphatischer. Er war Lehrer für Sport und Religion an einem Gymnasium und kam aus Waltop, was wunderbarerweise nicht weit von Ihrem Heimatstädchen Datteln entfernt war. Dass er seit drei Jahren von den Schülern zum Vertrauenslehrer gewählt wurde ließ ihn noch netter erscheinen.
Er erzählte ihr, dass er vorher einen Job hatte, in den er zeitlich sehr eingebunden war und er deshalb nun als Lehrer arbeite. Er fand es wichtig, Bewegung in sein Leben zu bringen,und hach... so ging es ihr doch auch. Es gab eine Menge Parallelen und ihr Herz hüpfte ein bisschen. War das etwas Schicksal!
Sie verabredeten sich für den nächsten Tag. Er hatte nicht viel Zeit, da er sportlich sehr aktiv war und am Abend Handballtraining hatte. Aber vorher hatte er zwei Stunden Zeit für sie.

Trudi wollte mehr über diesen Mann wissen und schaute immer wieder auf sein Profil. Da fielen ihr auf einem Foto Kerzen im Hintergrund auf. Weiße dicke Kerzen wie in einer Kirche. Und sah das nicht aus wie ein Mikrofon vor dem er da stand? Trudi kombinierte.Weiße Kerzen, Mann im schwarzen Anzug vor einem Mikrofon und bevor er Lehrer wurde, hatte er eine Sieben-Tage-Woche. EIN PFARRER. Der Typ muss Pfarrer gewesen sein.
Wozu hatte man die Möglichkeit zum Googlen. Sie gab ein: evangelische Pfarrer Waltrop. Und zupp....da war er.Markus Müller, evangelischer Pfarrer.Ich wäre eine prima Stokerin, stellte Trudi schmunzeln fest.
Ein Pfarrer! Ein spiritueller Mann! Ein Mann Gottes.Da konnte doch gar nichts schief gehen. So ein Mann muss doch die Aufrichtigkeit in Person sein.
Trudi war aus dem Häuschen.

Die Stunde X nahte. Trudi stand vor dem Spiegel und probierte nacheinander alles an, was in ihrem Schrank hing. Hose oder Rock? Sie entschied sich fürs Feminine. Schwarzes Kleid, etwas weiter um den Bauch um das Hüftgold zu verdecken und schwarze Stiefeletten. Etwas Schminke auf die Augen und los. Ihr Herz klopfte. Sie hatte die Befürchtung, dass sie ihm nicht gefallen könnte und auch umgekehrt, dass da ein softer Typ ankommt in Hochwasserhosen und kariertem Hemd.

Sie stiefelte zum Busbahnhof und wartete. Da kam er um die Ecke. Wow, dachte sie. Vor ihr stand ein Richard Gere-Verschnitt. Au Mann! Er küsste sie zur Begrüßung auf beide Wangen und sie merkte, wie ihr leicht die Knie wegsackten. Der Typ war echt hot.
Alles stimmte.

Sie machten einen langen Spaziergang und unterhielten sich unentwegt ohne die peinlichen Pausen, die manchmal eintreten, wenn man sich fremd istund sie konnten sogar über die selben Dinge lachen.

Trudi erzählte von ihren Internet-Erfahrungen und wie ärmlich sie es fand, wenn Männer nicht dazu in der Lage waren, zu sagen, wenn es nicht funkte, sondern immer irgendwie drumherum redeten. Markus pflichtete ihr bei. Wieder ein Punkt indem sie sich einig waren.
Nun musste er leider weg. Beim Abschied sagte er, es sei sehr schön für ihn gewesen und sie würden dann telefonieren und schauen, wie es weiter ginge.

Plötzlich hatte Trudi ein ungutes Gefühl und meistens täuschten sie ihre Gefühle nicht. Der Ausspruch:Wir telefonieren, behagte ihr nicht sonderlich.
Ach, dachte sie, ich höre wieder die Flöhe husten.

Spät am Abend schickte sie ihm noch eine SMS, aber es kam keine Antwort. Am Abend darauf kam eine SMS zurück, in der aber nichts darauf hin deutete, dass er sie wiedersehen wollte.
Sie klickerte noch ein bisschen im Netzt herum in der Hoffnung , dass er vielleicht online wäre. Und siehe da, der Mann, der erzählt hatte, dass er nur alle paar Monate im Netz sei, weil er das nicht so toll fand, war online. Sie schrieb ihm eine Nachricht, die er aber nicht öffnete.
So ging Trudi zum Frontalangriff über. Es war mittlerweile eine Woche vergangen und von Markus kam nichts so wirklich rüber. Am Wochenende mit nachfolgendem Feiertag, versuchte sie ihn zu einem gemeinsamen Spaziergang zu bewegen, aber wieder hatte er keine Zeit, weil er so viel zu tun hatte.
So schrieb sie ihm in einer Nachricht, dass er ihr ruhig gestehen könne, dass er kein weiteres Interesse daran habe, sie zu treffen, aus welchen Gründen auch immer.

Er entschuldigte sich dafür, dass er ihre Geduld überstrapaziert hätte, aber er hätte keine andere Wahl gehabt. Man hat immer eine Wahl, dachte Trudi und das schrieb sie ihm auch und dass es nur darauf ankäme, wo man die Prioritäten setze.
Es kam keine Antwort mehr.

An den dauf folgenden Abenden sah sie, war er ständig online war.

Tja, auch Pfarrer sind nur Männer!


Gabi Gayk
Gabi Gayk

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