Midlife-crises ( eigentlich schon darüber hinaus)

Heute morgen als ich in den Spiegel schaue, und das tu ich momentan öfter, eigentlich zu oft, bemerke ich in meinem Spiegelbild wieder eine Veränderung. Und je öfter ich schaue, desto mehr kann ich sehen.

Allerdings muss ich dazu sagen, benutze ich zum Schminken morgens einen Vergrößerungspiegel und der zeigt mir brutal jede Kleinigkeit. Wenn ich dann zum Augenbrauenzupfen auch noch die Lesehilfe mit Lupeneffekt auf die Nase setze, sehe ich die im Laufe der letzten Jahre größer gewordenen Poren hämisch grinsen.
Mit dieser Zehnfachvergrößerung ist auch der Flaum, der sich über der Oberlippe gebildet hat, prima zu erkennen. Sind da am Kinn nicht auch ein paar Härchen? Her mit der Pinzette. Zupf zupf...raus damit!
Ist da wieder ein Fältchen mehr um die Augen? Hängen die Wangen ein Stückchen tiefer?
Die Haut an meinem Hals scheint auch etwas nachgiebiger geworden zu sein.
Oh Gott, wenn ich den Kopf etwas neige, habe ich ein Doppelkinn. Im Profil sieht man es ganz deutlich. Mit den Haaren könnte ich es etwas kaschieren.
Hat sich da etwa ein bitterer Zug um die Mundwinkeln eingeschlichen? Haben Kummer und Sorgen der letzten Jahre ihre Spuren hinterlassen?
Die Lider scheinen heute morgen etwas weniger elastisch. Schlupflider sagt man wohl dazu. Schlupfige Lider! Das klingt, als hätte man nur noch zwei Sehschlitze, die zwischen zwei wülstigen Lidern hervorquellen. Wo soll man da noch den Lidschatten auftragen? Und ich meine eine Spur von Tränensäcken unter den Augen zu erkennen. Ich muss heute unbedingt mehr Wasser trinken!
Ich drücke mit den flachen Händen meine Wangen nach oben um die Haut etwas zu straffen. Nun sehe ich aus wie eine geliftete Hollywood-Diva mit leicht asiatischen Zügen um die Augen.
Es heißt, die Nase und die Ohren wachsen im Alter noch weiter. Ich sehe mir mein Profil an. Es ist eindeutig: Meine Nase ist gewachsen. Die Ohren kann ich ja noch unter den Haaren verstecken, jedoch nicht mehr lange, denn da bleiben beim Kämmen immer mehr Haare in der Bürste hängen.
Aber die Nase, die prangert mitten im Gesicht. Zu einem Stupsnäschen könnte mir nur noch die Schönheits-Chirugie verhelfen.Überhaupt brauche ich eine Kompletterneuerung.
Nur gut, dass außer meinem Gesicht nicht noch mehr im Spiegel zu sehen ist. Mir reicht schon der Effekt, wenn ich bei H&M oder C&A in der Umkleidekabine stehe und mich im grellen Neonlicht betrachte und mir die Zellulite bis zum Hals geht.

Ja, so ist es halt, wenn man ganz genau hinschaut. Wahrscheinlich ist all das was man dann sieht, in dem Moment wohl auch da. Aber eigentlich ist da noch viel mehr; nämlich das, was uns im Ganzen aus macht. Und das lässt uns kleine Hautunebenheiten völlig übersehen.

Ich lege den Vergrößerungsspiegel weg und beschließe, die Brille nur noch zum Lesen zu benutzen, und fühle mich gut.


Gabi Gayk
Gabi Gayk

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